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Pfarrer Matthias Goldammer im Interview

Seit mehr als einem Jahr ist Matthias Goldammer Pfarreradministrator an St. Donatus und Leiter der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Aachen-Forst/Brand. Im Schatten von St. Donatus lebt Pfarrer Goldammer, der von 2013 bis 2014 Diakon in Brand war und anschließend im Aachener Dom zum Priester geweiht wurde, mit seinem Rauhhaarteckel Pius. Der Einführungsgottesdienst als neuer Brander Pastor wurde am 30. Oktober 2020 gehalten. „Nöits op d’r Brand“ blickt mit Pfarrer Goldammer zurück auf die ersten mehr als zwölf Monate als Nachfolger von Pastor Ralf Freyaldenhoven.

Herr Pastor Goldammer, Sie sind seit mehr als einem Jahr an St. Donatus tätig. Sind Sie in Brand angekommen?

Pfr. Matthias Goldammer: Wer in Brand wohnt wird nicht sagen können, dass er sich nicht wohl fühlt. Es gibt vieles, was diesen Stadtteil so bemerkenswert macht. Angefangen von der Lage – stadt- und eifelnah – grün und ein urbanes Stadtumfeld. Die Infrastruktur ist nahezu perfekt und was Brand von anderen Stadtteilen unterscheidet, ist dieses große Zusammengehörigkeitsgefühl, was sich in Vereinen und Gruppierungen niederschlägt. Und ja, ich fühle mich in Brand angekommen!

Sie waren in Brand Diakon. Haben Sie Veränderungen an Brand festgestellt innerhalb von sechs Jahren, in denen Sie nicht hier waren?

Pfr. Matthias Goldammer: Der Stadtteil hat sich verändert. Brand ist größer geworden. Etliche Neubaugebiete gab es 2013 noch nicht in dem Maße, wie sie jetzt dazugekommen sind und noch dazu kommen. Ich weiß nicht, wie er sich auf Dauer entwickeln wird. Ob er anonymer dadurch wird. Es wird eine große Aufgabe für den Stadtteil sein, aber auch für alle Gruppierungen und das bürgerliche Leben, wie man die Menschen, die hinzukommen, auch integriert. In Schwalmtal war ich Kaplan, im Einzugsbereich von Düsseldorf, da haben viele Menschen gebaut, die explizit gesagt haben, wir bauen hier, weil wir es uns hier noch leisten können, aber mein Leben ist in Düsseldorf. Wir ziehen hierher, um zu wohnen, also lasst uns bitte in Ruhe. Das müsste eine Aufgabe für Brand sein, wie man die vielen neuen Menschen hier im Sozialsystem aufnehmen kann.

Whisky-Genießer und -liebhaber Pfr. Matthias Goldammer mit seinem treuen Begleiter Teckel Pius; Foto: gsi

Sie sind seit einem Jahr als Pfarradministrator an St. Donatus tätig. Ziehen Sie bitte ein erstes Fazit.

Pfr. Matthias Goldammer: Es ist natürlich eine Zeit, die von der Corona-Pandemie geprägt ist. Ich glaube, die ganzen Fähigkeiten der Menschen, die hier vor Ort sind, und des Stadtteils habe ich in diesem Jahr gar nicht annähernd erkennen können. Es war schön, dass wir vieles ermöglichen konnten. Als der Sommer los ging und hier am Samstag an St. Donatus durchgehend die Glocken läuteten, weil viele Taufen stattfanden und die Menschen wieder heiraten konnten, war das einfach ein schönes Gefühl. Man merkte, wie viel Leben darin steckt, was ich in diesem Jahr leider nicht in seiner vollen Kapazität wahrnehmen konnte. Ich erlebe aber trotzdem, dass sich viele an allen Ecken Sorgen und Gedanken gemacht haben, wie man doch irgendwas machen kann, wie man was gestalten kann, wie man was lebendig halten kann und das dann weiter fortzuführen. Das finde ich sehr beeindruckend. Ein Fazit kann ich noch nicht groß ziehen. Es ist eher ein freudiges Gespannt-sein auf das, was sich noch alles zeigt.

Die Pfarre St. Donatus war in allen Bereichen so aufgestellt, dass sie auch über eine längere Zeit ohne Pfarrer hatte auskommen können. Wie erleben Sie Ihre Zusammenarbeit mit den internen Gremien und Gruppen?

Pfr. Matthias Goldammer: Ich sehe hier viele Menschen, die verantwortungsvoll in vielen Kreisen arbeiten. Ob es das Pastoralteam ist, das die Aufgaben von Pastor Freyaldenhoven mit übernommen hatte und weiterhin hier verantwortlich arbeitet, ob es unsere Caritas ist, die als eigenständige Gruppe auch Aktionen macht und durchführt, bis zu den unterschiedlichsten kleinen Gruppen von der Weihnachts-Gala, die es dieses Jahr wieder geben soll, bis zum Mobilé, welches unter erschwerten Bedingungen weitergearbeitet hat, das finde ich sehr beeindruckend. Gleichsam finde ich es auch schön, da mit reinzukommen, weil man als Pastor die Aufgabe hat, alle Aktivitäten in der Gesamtheit der Pfarre im Auge zu behalten. Wenn eine Gruppe und eine Aktion unterwegs ist, dann schaut man meist auf sich, und es ist die große Kunst, da hat Ralf Freyaldenhoven immer sehr viel gearbeitet, wie man diese Aktionen so aufstellen kann und ins Gespräch miteinander bringen kann, dass sie sich als wichtigen Teil und in Einheit mit der Pfarrgemeinde und Kirche erkennen können.

Ist die Pfarrgemeinde gut aufgestellt?

Pfr. Matthias Goldammer: Sie ist sehr gut aufgestellt! Gerade, wenn man den Vergleich im Bistum schaut, ist es enorm, was an St. Donatus läuft und auf die Beine gestellt wurde und wird. Aber auch da sehe ich, dass es an manchen Stellen schwächer wird. Wenn ich auf 2013 zurückblicke, sehe ich, dass sich Bewegungen, die sich gesamtgesellschaftlich zeigen und woanders schon weiter vorangeschritten sind, hier nun zeigen. Da ist Brand zwar sehr gut aufgestellt, aber das ist nicht die Insel der Seligen, wo alle Entwicklungen der Umwelt einfach spurlos daran vorübergehen.

Wo sehen Sie die Probleme?

Pfr. Matthias Goldammer: Es sind keine Probleme, es sind einfach Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen werden. Ich glaube allgemein, dass die Großwetterlage der Kirche in Deutschland nicht zum Jubeln anregt. Ich glaube, dass auch viele Fragestellungen drin sind, Generationenumbrüche, die da drinstecken, das ist aber etwas, was das Vereinsleben allgemein trifft und nicht die Kirche allein, z.B. Nachwuchssorgen. Die Bereitschaft von Menschen, sich verbindlich lebenslang zu verpflichten, hat stark nachgelassen. Das stellt pfarrliche Gruppen und die Pfarrgemeinde vor Herausforderungen. Wir haben eine Botschaft, die uns überzeugt und die uns dazu prägt, an St. Donatus tätig zu sein. Hier müssen wir schauen, wie wir uns noch positionieren für Menschen, die auf uns gucken und diese dann deutlich merken okay, die leben daraus, denen gibt es was mit und das die Menschen dann neugierig macht.

Die katholische Kirche steht aktuell mehr im Fokus denn je, z.B. wegen Missbrauchsvorwürfen. Ihnen als Kleriker werden sicher auch Fragen diesbezüglich gestellt. Können Sie diese Fragen beantworten?

Pfr. Matthias Goldammer: Es ist schwer, diese Fragen zu beantworten, je nachdem wie sie gestellt sind. Warum kam es dazu? Wie konnte man das zulassen? Da stehe ich sprachlos und auch beschämt vor wie alle anderen auch. Was ich wichtig finde ist, dass man alles gut aufarbeitet, ehrlich hinschaut und jeden Mantel des Schweigens beseitigt. Gleichzeitig darauf schaut, was heißt das konkret für unser aktives Handeln jetzt vor Ort. Da haben wir mit Michael Schürmann jemanden, der Bistumsweit sehr vorreitend ist in der Präventionsarbeit und mit dem Konzept echt klasse unterwegs ist, um Kinder auch in Grundschulen zu stärken. Ich sehe es eher als Aufgabe zu schauen, was können wir aus diesem großen Misthaufen für Lehren ziehen.

Wichtig für Ihre seelsorgerische Arbeit ist die Transparenz und Kommunikation.

Pfr. Matthias Goldammer: Kommunikation und Transparenz sind ein gute Punkte, die immer schwerfallen. Transparenz zu schaffen, ist immer Arbeit, aber dem müssen wir uns stellen. Eine offene und ehrliche Kommunikation, die man versucht überall durchzuführen, wo es geht. Ich freue mich über jedes Gesprächsangebot und versuche es anzunehmen, wenn es zeitlich irgendwie einzurichten ist. Die Kommunikation läuft ja Gott sei Dank nach und nach wieder an. Ich hoffe, dass der Karneval durchzuführen ist und hoffentlich auch die Schützenfeste. Es ist eine Hochaufgabe für Kirche, dass wir ansprechbar sind.

Herr Pastor, Sie sind jetzt mehr als ein Jahr im Stadtbezirk tätig. Wo sehen Sie Ihre Schwerpunkte für die künftige Arbeit?

Pfr. Matthias Goldammer: Mein Schwerpunkt sind die Bereiche, in denen ich meine eigenen Begabungen und meine Berufung einbringen kann. Das wird vorrangig das sakramentale Leben sein. Das liegt mir sehr am Herzen. Wegen der Eucharistie bin ich Priester geworden und für mich ist die Eucharistie auch Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens. Nicht umsonst steht St. Donatus auch in der Mitte des Stadtteils. Das wird mein Schwerpunkt sein und bleiben, weil ich es als wichtig erachte. Ich werde versuchen, da weiter den Menschen beizustehen, wo Taufen und Hochzeiten sind, wo Menschen sich aneinander binden wollen, im Trauerfall und bei Beisetzungen. Und gleichzeitig da, wo Menschen das Gespräch suchen, zur Verfügung zu stehen. Das ist der Punkt, der vor allem anderen kommt, wenn er angefragt wird. Außerdem muss das Leben nach zwei Jahren Pandemie noch mal richtig angeschoben werden. Ein weiterer Schwerpunkt wird sein zu schauen und zu überlegen, wie die Arbeit in der Gemeinschaft der Gemeinden Aachen-Forst/Brand aufgestellt werden kann. Wie man sich gegenseitig bereichern und Synergien nutzen kann, ohne die jeweilige Pfarre aufzugeben.

Das Interview führte Gerd Simons.

Foto Messe St. Donatus: Ewald Kreus