„Brand – ich bin bereit!“
„Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht!“ Der Komponist Erich Kàlman hatte schon in seiner Operette „Die Csardasfürstin“, die am 13. November 1915 in Wien – also kurz nach Beginn der Karnevalssession – aufgeführt wurde, schon die Zeichen der Zeit erkannt. Ohne Frauen geht es nicht, auch im Brauchtum Karneval. Sie wurden zwar noch nicht wirklich in die sogenannte Männerdomäne „reingelassen“, aber zumindest als wichtige Säule im Hintergrund toleriert.
Die bisherige Dominanz der Männer als oberste Narrenherrscher im Stadtbezirk Brand endet nach rund neunzig Jahren mit der Proklamation der Brander Bürgertollität am 7. Januar 2023. „Das wurde ja auch Zeit, dass die Damen Mut beweisen und sich an die Spitze des Brander Narrenvolks setzen“, freut sich Dieter Röhrs, bis Jahresende 2021 Geschäftsführer des Komitees „Brander Prinz“. Er macht auch den Brander Damen Mut, der künftigen Prinzessin Melanie I. Kehren im Amt zu folgen.
Bei Melanie Kehren sind wohl, wie bei ihrem Bruder Karsten, Brander Bürgerprinz 2019, klar die Gene Schuld. Bei diesem familiären Umfeld, das sich fast nur aus karnevalsbegeisterten Brandern zusammensetzt und aufgrund der Nähe zum Ortsverein Brander Unterbähner muss das erste Wort, das sie gesprochen hat, einfach ein kräftiges Alaaf gewesen sein. Nur so ist auch zu erklären, dass sie, die kurz nach der Geburt schon Mitglied der Unterbähner wurde, bisher 36 Jahre leidenschaftlich dem Brauchtum Karneval treu geblieben ist.
Im Februar 1987 nahm die heute 36-Jährige zum ersten Mal am Brander Karnevalsumzug teil – im Kinderwagen und verkleidet als Stubenmädchen. Einmal vom Virus Karneval heftigst infiziert beteiligte sie sich seitdem regelmäßig an den Umzügen in Brand und den Aachener Rosenmontagszügen. Ihre Familie mit den Eltern Elke und Wilfried und Bruder Karsten sowie die jecke Verwandtschaft sind ein närrischer Ganzjahresbetrieb, denn nach der Session ist vor der Session. Wagen müssen geplant und gebaut werden, Kostüme geschneidert und die kommende 5. Jahreszeit op d’r Brand vorbereitet werden.
Wegweisende Begegnung war ihre Mitarbeit im Helferteam von Bürgerprinz Guido II. Runkel (2007/2008) als Musikbeauftragte. Ebenfalls dabei war sie bei Bürgerprinz Ralf III. Held (2016) sowie als Hofstaatmitglied bei Bürgerprinz Karsten I. Kehren als Mottofigur. Spätestens da war für sie klar, dass die Krönung ihres närrischen Lebenslaufs nur der einer Bürgerprinzessin sein könne. Aber das war nur ein verwegener Traum, denn für eine Frau war dieses Tollitätenamt in Brand verschlossen und unerreichbar. Ein lokaler Karnevalsreporter machte ihr Mut, sich auf das Amt der Bürgerprinzessin zu bewerben, half ihr bei der Bewerbung – und es öffneten sich in Brand verschlossen geglaubte Türen. Sie konnte das Komitee „Brander Prinz“ von sich und ihren Ideen überzeugen und hofft nun, dass auch die bunte Brander Jeckenschar und alle Vereine sie mit offenen Armen empfangen.
Ein erstes Hallo gab es schon am Ostersamstag, als sich Melanie I. Kehren und ihr Hofstaat auf dem Brander Wochenmarkt zeigten und Ostergrüße an die Brander verteilten. Die Gäste des Ordensfestes der Prinzengarde „Brander Stiere“ fremdelten eingangs mit dem Gedanken, dass erstmals im Brander Stadtbezirk eine Frau das Tollitätenzepter in der Hand haben wird. „Wir haben alle das gleiche Ziel, wir wollen das Brauchtum in Brand erhalten und gemeinsam Karneval feiern – egal, ob hier vorne ein Mann oder eine Frau steht“, fand die sympathische Branderin die richtigen Worte.
Bei der Auswahl ihres Hofstaates hat sie eine goldene Hand bewiesen. Mit dabei sind alles erfahrene Karnevalist*innen, die teilweise Prinzen- und Hofstaaterfahrung mitbringen. In ihrem Gefolge sind Elke Kehren, Ex-Bürgerprinz Karsten I. Kehren, Wilfried Kehren, Timo Zeevaert, Michaela Zeevaert, Ricarda Mikliss, Thomas Heeren, Rebekka Lander und Jörg Behrens.
„Brand – ich bin bereit!“ Für Melanie Kehren ist es immer noch unfassbar, dass ihr Traum, einmal Brander Bürgerprinzessin zu werden, tatsächlich in Erfüllung gehen wird. „Mein Traum ist zum Greifen nah!“
Text/Fotos: GSi