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50 Jahre Kommunale Neuordnung

Interview mit Herbert Henn

In diesem Jahr jährt sich die kommunale Neugliederung zum 50. Mal. Am 1. Januar 1972 verlor durch das Aachen-Gesetz neben den sechs ehemaligen Gemeinden Eilendorf, Haaren, Kornelimünster, Laurensberg, Richterich und Walheim auch die Gemeinde Brand ihre Eigenständigkeit. Die Fläche der Stadt Aachen wuchs durch die Hinzunahme der sieben Gemeinden um das Dreifache und die Anzahl der Bevölkerung erhöhte sich um 63.000 Einwohner. Die kommunale Neugliederung hat die politische Landschaft in der Region nachhaltig verändert. Zeitzeuge der Eingemeindung war Herbert Henn, damals CDU-Ratsmitglied und über vier Jahrzehnte Brander Bezirksbürgermeister.

Herr Henn, welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit, als die kommunale Neugliederung ein zentrales Thema in der Polik war?

Herbert Henn: Ich habe gute Erinnerungen, aber es hat auch an einigen Stellen heftig gerummst. Die Stellungnahme der Brander Bevölkerung war eindeutig, denn 87 Prozent stimmten gegen die Eingemeindung. Sie fürchteten die Eingemeindung, denn die Eingemeindung von Burtscheid 1897 und Forst 1906 war noch in den Köpfen. Brand war eine stolze Gemeinde und die Brander*innen hatten Angst davor, vereinnahmt und dadurch, wie z.B. beim Straßenbau, vergessen zu werden. Brand hatte schon damals, wie vor 1000 Jahren beim Abt von Kornelimünster, einen starken Behauptungswillen, wollte selbständig bleiben und nicht in Abhängigkeit geraten. Brand hatte schon in den 1960er Jahren freiwillig den Driescher Hof an Aachen abgegeben, damit dort weitere Wohngebiete für die Großstadt Aachen erstellt werden konnten. Es gab die Bestrebungen, dass sich Brand, Kornelimünster, Walheim und Roetgen zu einer Großgemeinde zusammenschließen. Bei der ersten Zusammenkunft durfte ich als Brander Ratsherr mitwirken. Wir haben Verhandlungen mit Kornelimünster und Roetgen geführt und dann schnell erkannt, dass eine Großgemeinde unmöglich war. Brand war bestens aufgestellt. Die Infrastruktur stand, wir hatten zehn Bebauungspläne, eine eigene Kläranlage und große Gedanken, wie z.B. den Bau des Schulzentrums und der Schwimmhalle Brand. Wenn sich Brand mit seiner Infrastruktur Ende der 1960er Jahre mit Kornelimünster, Walheim und Roetgen zu einer Großgemeinde verbunden hätte, hätten wir lange warten müssen, bis wir alle Bürger in etwa auf dem gleichen Stand gehabt hätten. Die Stadt Aachen hat mit Brand in Person von Kurt Malangré Verhandlungen aufgenommen, die positiv waren und in einen Gebietsänderungsvertrag gemündet sind.

Die Gemeinde Brand hat die Schwimmhalle noch zu Zeiten vor der Eingemeindung beschlossen und realisiert, damit das Projekt nicht noch abgesagt werden konnte.

Herbert Henn: Da ist etwas dran! Wir müssen ehrlicherweise der Frage nachgehen, ob die Gemeinde Brand sich eine eigene Schwimmhalle auf Dauer hätte leisten können. Der Zuschuss für die Schwimmhalle hätte 300.000 DM bis 400.000 DM jährlich betragen – und damit einen Großteil unserer Fördermöglichkeiten aufgebraucht. Die Stadt Aachen hat den Förderbetrag aufgestockt und den Bau eines Lehrschwimmbeckens ermöglicht und die Möglichkeiten von Behindertenschwimmen geschaffen. Bis auf die West-Halle (als Wasserspringleistungszentrum) an der Vaalser Straße waren wir in Brand der letzte Schwimmbadneubau in Aachen und sind bisher der einzige Aachener Stadtbezirk mit einem eigenen Hallenbad. Die Stadt Aachen hat, egal wer an der Spitze war, bis heute diesen Gebietsänderungsvertrag mit all seinen Untertiteln wirklich bis ins letzte eingehalten und vollendet.

Wie bewerten Sie die Eingemeindung rückblickend 50 Jahre später?

Herbert Henn: Wenn ich alle persönlichen Dinge außen vor lasse – „Was wäre wenn?“ – hat sie Brand gut getan. Ich bin auch nach der Eingemeindung meinen beruflichen und politischen Weg gegangen. Vielleicht wäre ich ja in Brand der Nachfolger von Paul Küpper als freier Bürgermeister geworden. Aus meiner Sicht ist es für die Bevölkerung und für Brand gut gelaufen. Der Blick zurück im Zorn bleibt aus. Allerdings haben auch die Branderinnen dazu ihren Beitrag geleitet. Brand ist heute ein beliebter Wohnbezirk. Wir leben mit der Verkehrsbelastung Trierer Straße und wir haben im Brander Feld unseren Beitrag für den sozialen Wohnungsbau geleistet. Im Brander Stadtbezirk wurden bis zu 83 Prozent aller Aus- und Übersiedler für die Gesamtstadt Aachen untergebracht. Aufgrund der Brander Eigenständigkeit, unter dem Motto „Wir Brander“, haben wir auch diese Herausforderung gemeistert und die neuen Bürgerinnen bei uns integriert. Die Stadt Aachen weiß und wusste, dass man sich auf den Stadtbezirk verlassen konnte und auch weiter kann. Ich erinnere mich gerne an die Worte des damaligen OB Marcel Philipp bei meiner Verabschiedung als Bezirksbürgermeister im Mai 2014: „Die Stadt Aachen wollte die kommunale Neugliederung, bekommen hat die Stadt Herbert Henn.“

Das Interview führte Gerd Simons.